Zigeunerzentrale

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Im Jahr 1899 wurde in München der erste polizeiliche „Nachrichtendienst für die Sicherheitspolizei in Bezug auf Zigeuner“ mit der Kurzbezeichnung "Zigeunerzentrale" gegründet. Diese bildete das Muster für andere "Zigeunerzentralen" der Polizei im nationalen und internationalen Rahmen. Die Zentrale wurde in der Weimarer Republik von allen deutschen Ländern genutzt und finanziert. Ihr Ziel war es, die konstatierte "Zigeunerplage" mit Hilfe modernster polizeilicher Mittel, vor allem dem Aufbau einer Kartei mit personenbezogenen Daten zu begegnen. Die Erfassung führte im polizeilichen Alltag in Einzelfällen zu einer Gleichsetzung von Zigeunern und „nach Zigeunerart umherziehenden Personen“ mit Serienstraftätern.

In der Zeit des Nationalsozialismus wurde die "Zigeunerzentrale" aufgrund des Runderlasses zur Neuordnung der Reichskriminalpolizei 1936 und 1938 zur "Reichszentrale zur Bekämpfung des Zigeunerunwesens" schrittweise umgestaltet. Die Reichszentrale war Teil des neu gegründeten Reichskriminalpolizeiamts (RKPA) in Berlin, das wiederum das Amt V des Reichssicherheitshauptamtes bildete. Zusammen mit der Rassenhygienische Forschungsstelle (RHF) organisierte die Reichzentrale über den Erkennungsdienst und Einzelauskünfte hinaus auch die Erfassung und Deportationen der Sinti und Roma.

1946 wurde die "Zigeunerstelle" in München wiederhergestellt und erhielt später die Bezeichnung "Landfahrerstelle". Sie war Teil des bayerischen Landeskriminalamtes und wurde in den 1970er Jahren aufgelöst. Ihre Personenakten wurden nach der Auflösung Tsiganologen zur weiteren Forschung übergeben.

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1 Gründung

Sie wurde am 28. März 1899 unter Leitung des Juristen und Polizisten Alfred Dillmann in München als „Nachrichtendienst für die Sicherheitspolizei in Bezug auf Zigeuner“ gegründet. [1][2]

Der Gründung gingen politische Kontoversen über die Bekämpfung der "Zigeunerplage" voraus. Ob eine wie damals befürchtete "Überflutung" mit Zigeunern aufgrund der polizeilichen Meldungen und der Kriminalstatistik begründet war, und Behauptungen über deren Kriminalität, wie z.B. die bei Behörden verbreitete These von häufigen Brandstiftungen durch Zigeuner der Realität entsprach ist noch nicht abschließend geklärt.

Einer der Arbeitsschwerpunkte der "Zigeunerzentrale" war der Aufbau einer Art von "Zigeunerpersonenkartei".[3] Erfasst wurden in der Kartei alle Zigeuner über sechs Jahre. [4] Jeder Zigeuner sollte von den Regionalbehörden sofort gemeldet werden, [5] und folgende Mitteilungen waren zu machen:

1. Personalien der Mitglieder der einzelnen Bande.
2. Legitimationspapiere nach Inhalt, Datum und Fertigung, mit besonderer Berücksichtigung der etwa von bayrischen Behörden ausgestellten oder ausgedehnten Scheine.
3. Mitgeführte Pferde und sonstige Tiere, Wagen und sonstige bemerkenswerte Gegenstände.
4. Herkunft und Richtung der Wanderung.
5. Getroffene polizeiliche Maßnahmen, eingeleitete strafrechtliche Untersuchungen.
6. Angabe der Gründe, aus welchen von einer Behelligung im Sinne der eingangs erwähnten Entschließungen abgesehen wurde. [6]

Die "Zigeunerzentrale" sollte über Urteile und Haftstrafen von Zigeunern, sowie deren Strafvollzug unterrichtet werden. [7] Mitunter kam es dabei auch zu vereinzelten Diskriminierungen der Betroffenen. [8]

Mit der Gründung der "Zigeunerzentrale" hatten alle Destriktämter eine Übersicht ihrer Akten über Zigeuner nach München zu senden. Aufgrund dieser umfassenden Datensammlung konnte bsp. ermittelt werden, dass sich im Jahr 1899 1242 Zigeuner in Bayern aufhielten. [9] Die Erkenntnisse aus der Arbeit der "Zigeunerzentrale" führten zwischen 1900 und 1933 zu etwas 150 Sonderverordnungen für die Behandlung von Zigeunern. [10]

2 Nach der Jahrhundertwende

Im Jahr 1905 erstellte Dillmann aus der Kartei ein Handbuch mit kurzen Einzelangaben zu 3.350 Personen aus dem Umfeld von Zigeunern. Neben einer Einführung zur "Zigeunerplage" war speziell der Personenteil mit Lichtbildern wichtig. [11] Er enthielt Angaben zu Namen, Geburtsort, Heimat, Staatsangehörigkeit, Beruf, körperlichen Merkmalen, Leumund und Vorstrafen. [12]

Das Handbuch wurde in 7.000 Exemplaren [13] an Behörden in und außerhalb Bayerns verschickt. Der Zugriff und die Materialfülle der "Zigeunerzentrale" weitete sich nach Erscheinen des Buches kontinuierlich aus. Zwischen April und Dezember 1907 wurden von Beamten 324 "Vergehen und Verbrechen" von Zigeunern erfasst. [14] Ab dem 14. April 1911 waren von allen "Zigeunern" landesweit Fingerabdrücke zu nehmen und der Zentrale zu übermitteln, und ab 1913 mussten die Standesämter Geburten, Heiraten und Todesfälle melden. [15]

Ein Schritt zu einer fundierteren und wissenschaftlicheren Behandlung der Thematik stellte die "Zigeunerkonferenz" dar, die am 18. und 19. Dezember 1911 in München abgehalten wurde.

3 Literatur

4 Einzelnachweise

  1. Ministerialentschließung des bayrischen Ministerium des Inneren vom 28.3.1899, nach Reimar Gilsenbach in Ayaß S. 39
  2. Hehemann 1987, S. 285
  3. Gilsenbach in Ayaß S. 17
  4. www.romahistory.com Hans Hesse, Jens Schreiber: Vom Schlachthof nach Auschwitz: die NS-Verfolgung der Sinti und Roma aus Bremen, Bremerhaven und Nordwestdeutschland.
  5. Nach: Hehemann 1987, S. 285
  6. Entschließung des Bayrischen K. Staatsministerium des Inneren vom 28.3.1899; nach Hehemann 1987, S. 285
  7. Hehemann 1987, S. 286
  8. Hehemann 1987, S. 286
  9. Hehemann 1987, S. 287
  10. Gilsenbach in Ayaß S. 19
  11. www.romahistory.com Hans Hesse, Jens Schreiber: Vom Schlachthof nach Auschwitz: die NS-Verfolgung der Sinti und Roma aus Bremen, Bremerhaven und Nordwestdeutschland.
  12. Till Bastian: Sinti und Roma im Dritten Reich - Geschichte einer Verfolgung, Beck, München, 2001, S. 21 und 22
  13. Leo Lucassen: Harmful tramps » Police professionalization and gypsies in Germany, 1700-1945, S. 29-50
  14. Rüdiger Vossen und Wolf Dietrich: Zigeuner: Roma, Sinti, Gitanos, Gypsies zwischen Verfolgung und Romantisierung - Katalog zur Ausstellung "Zigeuner zwischen Romantisierung und Verfolgung - Roma, Sinti, Manusch, Calé in Europa" des Hamburgischen Museums für Völkerkunde, Ullstein, 1983, S. 128
  15. Gilsenbach in Ayaß S. 17

5 Quelle


Der vorhergehende Text basiert überwiegend auf dem Artikel „Benutzer:Elektrofisch/Zigeunerzentrale“ aus der freien Enzyklopädie Wikipedia in der Version vom 5. Oktober, 2010 (Permanentlink) und steht unter der Creative-Commons-Lizenz „Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0“. In der Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar.

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