Heinrich Heine (Historisch)

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Loreley Fountain bzw. Heinrich-Heine-Brunnen in der New Yorker Bronx von Ernst Herter (1897). Bezahlt von Kaiserin Elisabeth von Österreich-Ungarn ehrt er Heinrich Heine. Eigentlich war er für Heines Heimatstadt Düsseldorf gedacht, wurde dort aber aus antisemitischen Motiven verschmäht

Christian Johann Heinrich Heine (* 13. Dezember 1797 als Harry Heine in Düsseldorf, Herzogtum Berg; † 17. Februar 1856 in Paris) war einer der bedeutendsten deutschen Dichter, Schriftsteller und Journalisten des 19. Jahrhunderts.

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1 Leben

Der Sohn jüdischer Eltern studierte in Bonn, Berlin und Göttingen Jurisprudenz, lebte dann abwechselnd in Hamburg, Berlin und München, machte Reisen nach Oberitalien und England und begab sich 1831 nach Paris, wo er sich ausschließlich literarischer Beschäftigung widmete und vom Jahr 1837 bis zum Sturz des Ministeriums Guizot im Februar 1848 aus der Kasse des Ministeriums der auswärtigen Angelegenheiten ein Jahrgeld von 4800 Franc bezog und zwar als einen Anteil an "dem großen Almosen, das das französische Volk an so viele Tausende von Fremden spendete, die sich durch ihren Eifer für die Sache der Revolution in der Heimat kompromitiert hatten und an dem gastlichen Herd Frankreichs eine Freistätte suchten".

Nachdem er schon 1825 zum Christentum übergetreten war, heiratete er später eine Pariserin, Mathilde Mirat (gest. 19. Febr. 1883 in Passy bei Paris). Deutschland besuchte er nur noch zweimal flüchtig im Herbst 1843 und im Sommer 1844. Nachdem er für ein Rückenmarksleiden, das ihn 1845 befiel, in einem Pyrenäenbad vergeblich Heilung gesucht, fesselte ihn die Krankheit seit dem Frühling 1848 gänzlich an seine martervolle "Matratzengruft". Trotz seines jammervollen körperlichen Zustandes wußte er sich die Beweglichkeit und Frische seines Geistes zu bewahren. Freunde, die ihn in der letzten Zeit besuchten, schilderten ihn als einen Bekehrten, bei dem aber noch zuweilen die Weltlust hervorbreche. "Sonst nannte man mich einen Heiden", sagte er lächelnd einem dieser Besucher, "jetzt bin ich nichts weiter als ein armer, kranker Jude." Er erlag seinen körperlichen Leiden am 17. Febr. 1856.

2 Heines frühe Werke

In die literarische Welt war er durch seine Gedichte (Berl. 1822), denen im folgenden Jahr die Tragödien: Almansor und Ratcliff mit dem Lyrischen Intermezzo folgten, eingetreten. Doch hatten diese Erzeugnisse keine besondere Aufmerksamkeit erregt und waren bald vergessen worden. Um so größeren Erfolg hatten die beiden ersten Bände der Reisebilder (Hamb. 1826-1827), die später durch zwei neue Bände vermehrt wurden (das. 1830-31, zusammen 4 Bde.; 5. Aufl. 1856). Selten hat in der Literatur ein Reisetagebuch voll flüchtiger Einfälle und Empfindungen so großes Aufsehen gemacht wie dieses. Die das Publikum, namentlich das jugendliche, fesselnden Momente desselben waren: "die in reizenden Naturbildern schwelgende Wanderlust, die lyrischen Klänge aus Herzenstiefen, kokett melancholisch oder skeptisch frivol", vor allem aber der treffende, schonungslose Witz, der den damals grassierenden Wortwitz der Theaterjournalisten an geistiger Energie weit übertraf. Leider trat aber schon in den letzten Bänden der "Reisebilder" ein "cynischer Trotz" und eine "renommierende Liederlichkeit" hervor, welche später ein charakteristisches Merkmal der Heineschen Muse wurde. Die eingestreuten, zum Teil sehr originellen Lieder samt einer Reihe neu hinzugefügter gab er gesammelt in seinem "Buch der Lieder" (Hamb. 1827, 32. Aufl. 1872) heraus, welches, immer neu aufgelegt, als die glanzvolle Offenbarung eines großen dichterischen Talents bis auf die Gegenwart bei der Nation in hoher Gunst steht.

Unter Heines Namen erschien dann die Broschüre Wesselhöfts: "Kahldorf über den Adel, in Briefen an den Grafen M. von Moltke" (Hamb. 1831), zu welcher H. eine kraftvolle Einleitung geschrieben hatte. Es folgten die "Beiträge zur Geschichte der neuen schönen Litteratur in Deutschland" (Hamb. 1833, 2 Bde.); "Französische Zustände" (eine mit einer geharnischten Vorrede ausgestattete Sammlung seiner aus Paris für die Augsburger "Allgemeine Zeitung" geschriebenen Aufsätze, das. 1833) und "Der Salon" (4 Bde., das. 1835-40 u. öfter). Wiewohl dies Buch in einzelnen Partien voll der grellsten Zynismen ist, so werden sie doch durch übersprudelnden Witz gemildert, und namentlich sind die "Memoiren des Herrn von Schnabelewopski" ein humoristisches Meisterwerk.

Heines Ansehen stieg, als der Bundestag, gegen das junge Deutschland einschreitend, auch Heines ganze literarische Existenz auszulöschen versuchte und sowohl seine vorhandenen als auch seine künftig erscheinenden Schriften in der 31. Sitzung von 1835 verbot. H. beklagte sich laut und bitter über dies ohne Verhör und Verteidigung gefällte Verdammungsurteil; gegen seinen Hauptankläger, W. Menzel, aber richtete er eine scharfe Schrift: "Über den Denunzianten" (Hamb. 1837). Auf "Die romantische Schule" (Hamb. 1836) und "Shakespeares Mädchen und Frauen mit Erläuterungen" (Par. u. Leipz. 1839) folgte Heines mit Recht am meisten getadelte Schrift "H. über Börne" (Hamb. 1840) und seine "Neuen Gedichte" (das. 1844, 10. Aufl. 1872), die zwar im ganzen denselben Ton anschlagen wie das "Buch der Lieder", aber weit absichtlicher polemisieren, daher ihre Pointen weit gröber und zynischer sind. Die träumerische Sentimentalität, die Innigkeit des Augenblicks, so fesselnd und zauberisch im "Buch der Lieder", tritt hier nur noch vereinzelt auf; dafür überwiegt die materialistisch ironische Negation edlerer Empfindungen und Lebenserscheinungen.

3 Deutschland, ein Wintermärchen

Das auch einzeln erschienene Gedicht Deutschland, ein Wintermärchen bezeichnet die Wendung, welche die deutsche Poesie seit 1840 zur Politik hin machte. Das eben genannte Gedicht gibt satirische Schilderungen deutscher Zustände, angereiht an den zufälligen Faden einer Reise, die der Dichter von Paris nach Hamburg machte. Mit zügellosem Humor, der nur allzu oft in vergifteten Hohn und zynische Polemik umschlägt, schildert der Dichter die deutschen Zustände der 1840er Jahre, geißelt die militärische Pedanterie, die verzopfte Kleinstädterei, die romantischen Neigungen. König Friedrich Wilhelms IV. von Preußen, die Kindereien des deutschen Liberalismus und hundert andre Dinge, überschüttet mit der gleichen Lauge des Spottes edle und unedle Naturen, berechtigte wie törichte Bestrebungen, kehrt den ganzen Gegensatz seiner spätern Lebensanschauungen gegen deutsche Gemütsart und Natur hervor und läßt höchstens ein sehr unbestimmtes Pariser Freiheitsideal zwischen die Schilderung der deutschen Armseligkeiten hereinleuchten.

4 Von "Atta Troll" bis "Romanzero"

Eine Apotheose der echten Poesie und zugleich eine Satire auf deren Entstellungen ist das allegorische Epos "Atta Troll" (Hamb. 1847). Dasselbe ist gegen die Ausschreitungen des philosophischen Radikalismus und der politischen Lyrik gerichtet und eine "glänzende Parodie der plumpen, unkünstlerischen Gesinnungspoeten und ihrer andressierten Künste". Der humoristische Stil hat darin eine klassische Ruhe gewonnen, und das Gedicht ist reich an Stellen echter Poesie, frischester Naturlyrik und mächtiger Gedankengewalt.

Die Schrift "Heines politisches Glaubensbekenntnis oder Epistel an Deutschland" (Leipz. 1848) ist nur ein unbefugter Wiederabdruck seiner Vorrede zu den "Französischen. Zuständen". Später folgten noch der "Romanzero" (Hamb. 1851, 6. Aufl. 1872), der alle Vorzüge und Fehler der Heineschen Muse in sich trägt, und das fratzenhafte Tanzpoem "Der Doktor Faust" (das. 1851); ferner: "Die verbannten Götter" (Berl. 1853) und "Vermischte Schriften" (Hamb. 1854, 3 Bde.), letztere meist aus interessanten Berichten an die "Allgemeine Zeitung" zusammengestellt. Nachdem lange Zeit hindurch von ausgedehnten "Memoiren" Heines die Rede gewesen, deren Existenz und deren absichtliche Unterdrückung namentlich Alfred Meißner behauptete, trat ein nur die frühste Jugend besprechendes Fragment: "Heinrich Heines Memoiren" (hrsg. von F. Engel, Hamb. 1884), ans Licht.

5 Heines Bedeutung für die deutsche Literatur

Heines Name ist unsterblich in der deutschen Literaturgeschichte; insbesondere als lyrischer Dichter muß er als gewissermaßen epochemachend bezeichnet werden. Das reichste und glänzendste lyrische Talent der nachgoethischen Zeit, rang er sich "im Zwiespalt einer zugleich träumerisch poetischen und unruhig eiteln, einer weltschmerzlich verstimmten und zugleich knabenhaft hoffnungsvoll der Bewegung der Zeit vertrauenden Natur zu keiner läuternden höhern Einsicht empor. Aber bis an das Ende seines Lebens quoll zu guter Stunde die echte lyrische Ader; neben den genial liederlichen Cynismen entströmten ihm einzelne Gedichte voll Adel, Wohllaut, voll jenes weichsten lyrischen Zaubers, der die Seele löst", welche im "Buch der Lieder" der Zahl und Bedeutung nach noch überwiegen. Die Kraft und Lebendigkeit von Heines Poesie haben daher auch dessen entschiedenste Gegner zugestanden, aber ihm nicht mit Unrecht die schamlose Nacktheit und Rücksichtslosigkeit vorgeworfen, mit der sie im Bewußtsein, daß sie eben Poesie sei, sich nicht darum kümmere, was sie sonst noch sei, und die poetische Freiheit von der Form auf die Materie ausdehne.

Mit Ludwig Börne gehört Heine zu denen, welche, ohne die große weltgeschichtliche Katastrophe von 1830 zu ahnen, unbewußt die Gemüter in Deutschland für den Eindruck der Julirevolution stimmten und empfänglich machten. Man war des "trocknen Tons" satt, welcher seit längerer Zeit in der deutschen Litteratur geherrscht hatte, und begrüßte daher mit Enthusiasmus den kecken, das Alte spielend über den Haufen werfenden Dichter mit seinen Stachelliedern, seinem pietätlosen Witz und seiner schonungslosen Satire. Eine Anzahl Nachahmer trat sogleich in die Fußstapfen des Dichters; namentlich waren es seine wie scherzend und aus Mutwillen hingeworfenen Lieder, die eine wahre Sündflut von Erzeugnissen ähnlicher Art hervorriefen. Was aber bei H., dem "ungezogenen Liebling der Grazien", Originalität, Poesie, Frische und Witz war, das erschien bei seinen Nachtretern als ein blasser Abklatsch voll krankhafter Sentimentalität, welcher die ganze poetische Litteratur der Deutschen in Grund und Boden verderben zu wollen schien. Die sarkastische Frivolität und die Wendung zum Materialismus der Lebensanschauung waren bei H. durch Eindrücke der Jugend geweckt, durch den langen Aufenthalt in der französischen Hauptstadt genährt worden; sie schlossen die Existenz echter Stimmungen und aufrichtiger Begeisterung auch in den letzten Lebensjahren des Dichters keineswegs völlig aus. Wohl aber hinderten die spätere Grundstimmung des Dichters und die Bevorzugung der journalistischen Thätigkeit die Gestaltung größerer objektiver Schöpfungen, zu denen H. mit den (freilich unreifen) Jugendtragödien und dem sehr bedeutenden und vielverheißenden Romanfragment "Der Rabbi von Bacherach" einen Anlauf genommen.

6 Ausgaben

Eine Gesamtausgabe der Werke Heines, besorgt von A. Strodtmann, erschien Hamburg 1861-66 (21 Bde.; neue Ausg., das. 1867; Volksausgabe mit Biographie von Karpeles, das. 1885, 12 Bde.); kritische Ausgaben besorgten Karpeles (Berl. 1886-87, 9 Bde.) und Elster (Leipz. 1887, 7 Bde., mit Biographie). Aus dem Nachlaß des Dichters erschienen "Letzte Gedichte und Gedanken von Heinrich H." (Hamb. 1869). In französischer Sprache erschienen sie (von Saint-René Taillandier, Gérard de Nerval u. a., die Gedichte in Prosaübersetzung) als "Œuvres complètes" zu Paris seit 1852 in 14 Bänden, davon 7 Bände zu des Dichters Lebzeiten und unter seiner eignen Redaktion; Versuche metrischer Übertragungen seiner Gedichte liegen vor von Marelle ("Poésies choisies", 2. Aufl. 1864), Ristelhuber ("Lyrisches Intermezzo"), Buchon, Schuré. Das "Buch der Lieder" wurde ins Englische übertragen von Wallis (Lond. 1856), E. A. Bowring ("Complete poems", 2. Aufl. 1866), Leland (Philad. 1864), der auch eine Übersetzung der "Reisebilder" (neue Ausg., das. 1868) lieferte, und von Stratheir (1882); ins Italienische von Zendrini (mit den "Neuen Gedichten", 2. Aufl., Flor. 1867), der auch eine Biographie Heines (das. 1865) schrieb, und von Varese (das. 1886), endlich sogar ins Japanische. Die Unechtheit der von Steinmann herausgegebenen "Briefe" (Amsterd. 1861-1862, 2 Tle.) und "Dichtungen" (das. 1860, 2 Bde.) Heines ist bis zur Evidenz nachgewiesen worden.

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