Feynman-Stückelberg-Interpretation
Die Feynman-Stückelberg-Interpretation geht davon aus, dass die Dirac-Gleichung nicht nur die relativistische Dynamik von Elektronen, sondern auch das Verhalten der korrespondierenden Antiteilchen, also der Positronen, korrekt beschreibt. Die Frage nach der Deutung der Zustände mit negativen Energien wird bei dieser Interpretation durch Elektronen erklärt, die sich rückwärts in der Zeit bewegen. Derartige Elektronen sind innerhalb der Dirac-Theorie mathematisch äquivalent zu Positronen mit positiver Energie, die sich vorwärts in der Zeit bewegen.
Eine starke Motivation für diese Sichtweise bildet das CPT-Theorem. Dieses Theorem leitet aus sehr grundlegenden Annahmen die CPT-Invarianz der Zustandsfunktion, bzw. Wahrscheinlichkeitswelle der zu untersuchenden Teilchen her. CPT-Invarianz bedeutet dabei eben gerade eine Symmetrie zwischen Zuständen, bei denen die Ladung (engl. Charge), Parität (Parity) und Zeitrichtung (Time) jeweils umgekehrt werden. Zudem gibt es bis heute keine experimentellen Hinweise auf eine Verletzung dieser Symmetrie. Dies rechtfertigt die Postulierung der CPT-Invarianz der Dirac-Gleichung. Diese Invarianz ist nichts anderes als die mathematische Formulierung der Feynman-Stückelberg-Interpretation der Zustände mit negativer Energie. Es lässt sich also jedem Zustand mit positiver Energie – dem ein Elektron entspricht, das sich in positiver Zeitrichtung bewegt – durch eine CPT-Transformation einen Zustand negativer Energie – dem ein Positron entspricht, das sich in negativer Zeitrichtung bewegt – zuordnen und umgekehrt.
Physikalisch ergibt sich daraus der folgende Sachverhalt. Bewegt sich ein Elektron von einem Raumpunkt A zu einem Raumpunkt B, so kann sich mit der gleichen Wahrscheinlichkeitsamplitude ebenso ein Positron von B nach A bewegen, falls sich alle weiteren Observablen der beiden Teilchen spiegelbildlich zueinander verhalten. Zeigt der Spin des Elektrons während der Bewegung von A nach B beispielsweise in Richtung der positiven z-Achse, so zeigt der Spin des korrespondierenden Positrons also in Richtung der negativen z-Achse.
Ein entscheidender Vorteil der Feynman-Stückelberg-Interpretation liegt darin begründet, dass sie ohne den Dirac-See auskommt, der schon wegen seiner unendlich hohen theoretischen Masse nicht als real zu interpretieren ist. Aktuelle Interpretationen der Dirac-Gleichung beziehen sich üblicherweise auf diese Sichtweise. So können mit Hilfe der Feynman-Diagramme viele Probleme aus der Elementarteilchenphysik interpretiert und qualitativ berechnet werden. Unter anderem lässt sich damit auch der Wirkungsquerschnitt für die Paarerzeugung von Elektronen und Positronen sehr effektiv berechnen.
1 Literatur
- Cours de physique stueckelberg (französisch).
- Richard P. Feynman: Quantenelektrodynamik. Eine Vorlesungsmitschrift. Mit einem Anhang von Harald Fritzsch. 4., durchgesehene Auflage. Oldenbourg, München u. a. 1997, ISBN 3-486-24337-3.
- Walter Greiner: Theoretische Physik. Band 6: Relativistische Quantenmechanik. Wellengleichungen. 2. überarbeitete und erweiterte Auflage. Deutsch, Thun u. a. 1987, ISBN 3-8171-1022-7.
- James D. Bjorken, Sidney D. Drell: Relativistische Quantenmechanik (= BI-Hochschultaschenbücher. Bd. 98/98a). Unveränderter Nachdruck. Bibliographisches Institut, Mannheim u. a. 1990, ISBN 3-411-00098-8 (englische Originalausgabe: Relativistic Quantum Mechanics. McGraw Hill, New York NY u. a. 1964).
- James Bjorken, Sidney Drell: Relativistische Quantenfeldtheorie (= BI-Hochschultaschenbücher. Bd. 101). Unveränderter Nachdruck. Bibliographisches Institut, Mannheim u. a. 1993, ISBN 3-411-00101-1 (englische Originalausgabe: Relativistic Quantum Fields. McGraw Hill, New York NY u. a. 1965).
- Stephen Hawking: Eine kurze Geschichte der Zeit (= rororo. rororo-Sachbuch. rororo Science 60555). Neuausgabe, 456. – 475. Tausend. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 1998, ISBN 3-499-60555-4, S. 185 ff.
2 Quelle
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